2016-06-24

Die fünfte #FASHIONTECH Berlin: Von der Virtualität der Mode

Ausgestattet mit Virtual-Reality-Brillen und Präsentationen von Motion-Capture-Suits gaben sich am dritten und letzten Tag der re:publica TEN die Mode-Experten im labore:tory ein Stelldichein. Das waren die spannenden Themen unserer #FASHIONTECH Berlin.

Von emphatischen Technologien, dem Internet der Dinge (IoT) für Textilien, die Resultate des Fashion Hack Day oder einem Open-Hardware-Activity-Tracker – die Digitalisierung der Mode-Industrie bot auf unserer Subkonferenz viele interdisziplinäre Anknüpfungsflächen. Zusammen mit der PREMIUM International Trade Fair richteten wir bereits zum fünften Mal das eintägige Event aus. Ein bestimmendes Thema, das für einen vollen Zuschauerraum im Kühlhaus sorgte, war unter anderem "The Future of E-Commerce". In welche Richtungen entwickelt sich der Retail-Bereich digital weiter? Drei Startups präsentierten ihre Projekte: combyne ist eine mobile App, mit der sich ein User oder eine Userin individuelle Kleidungsstücke aus einer kuratierten Fashion-Datenbank zusammenstellen kann. smartzer ist ein interaktiver Video-Player, auf dem die UserInnen während des Betrachtens von Filmen auch gleich shoppen können. Und schließlich EasySize. Dieser Online-Maß-Service errechnet automatisch die Kleidergröße für einen wiederkehrenden Shopper oder Shoppern.

Großes Interesse weckte auch der Talk "Emphatic Technology" von Fotini Markopoulou. Die Mitgründerin und Geschäftsführerin des Wearable-Startups doppel beschäftigt sich mit der Psychophysiologie, dem Zusammenspiel von Geist und Körper. Dafür will sie neue Anwendungen entwickeln, die darauf einwirken, wie wir Dinge wahrnehmen und wie wir darauf reagieren. Genauer, sie arbeitet an Wearables, die den Gemütszustand des Users oder der Userin beeinflussen soll. Smarttracker und Fitbänder würden uns nur Daten ausgeben und uns damit überfordern, so ihre Meinung. Viel wichtiger sei jedoch das Experience, das die Technologie vermitteln müsste. Dass sie mit dem Thema einen Nerv traf, zeigten die vielen Fragen aus dem Publikum im Anschluss an ihre Präsentation.

[video:https://www.youtube.com/watch?v=7gr0EllMSeA]

Ebenso spannend ging es in der Talk-Runde zu "How to close the loop – A discussion about the circular fashion industry" zu. Rebeca Duque Estrada, Annette Kres, Frans Prins und Mayya Saliba sprachen über neue Produktionsverfahren, um Materialien nachhaltiger herzustellen. Einen neuen Impuls lieferte Annette Kres mit eine außergewöhnlichen Arbeit: Sie kultiviert Bakterien und verdichtet sie zu einem organischen Gewebe, das sie in High-Tech-Materialien für ihre Kollektion integriert. So züchtete sie aus dem T-Pilz ein stoffähnliches Material, das "Kombuchea-Textil". Es besitzt eine lederartige Konsistenz und Kres verarbeitete es zu organischen Schuhsohlen. Die Prototypen sind allerdings nicht wasserbeständig, dennoch gibt das Projekt eine interessante Richtung in Bezug auf Nachhaltigkeit vor.

Weniger organischer, aber umso digitaler ging es im Talk von Anja Rojahn zu. "A Brand(ed) New World: Welcome to Virtual Commerce" widmete sich dem neuen Thema Virtual Commerce. Welche Möglichkeiten bietet Virtual Reality für E-Commerce-Lösungen im Retail-Bereich? Für manche ist das ein ziemlich gehyptes Thema. Sie prophezeien sogar, dass Virtual Commerce potenziell irgendwann den E-Commerce ablösen könnte. Anja Rojahn führte in die Technologien ein, sprach über die Anforderung sowohl von Retail-, als auch von technischer Seite und zeigte Möglichkeiten auf. Wir sind gespannt, wie diese Technologie weiter eingesetzt wird.

[caption]Christian Zöllner zur VR-Brille als Accessoire[/caption]Und nicht zuletzt auch Christian Zöllner, der die #FASHIONTECH Berlin morgens mit seinem Talk eröffnet hatte, nahm Virtual Reality zum Gegenstand für eine Frage, die die Fashionwelt beschäftigt. In "I VR my sunglasses at night! – Fashion and Virtual Realities" skizzierte er die Geschichte der Sonnenbrille nach und landete bei der Virtual-Reality-Brille als deren Fortführung. Kann sie sich als Accessoire in der Mode mit ihren schnelllebigen Zyklen etablieren? Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung bei den VR-Glasses.

Auch in der abschließenden Runde, der abendlichen "Fishbowl" wurden unter anderem die Potenziale von VR diskutiert. Zunächst reflektierten die Panel-TeilnehmerInnen die bisherige Entwicklung der Modeindustrie und unsere Wahrnehmung von "was angesagt ist". Mit der Aussage "Mode, wie wir sie kennen, hat sich lange Zeit nicht weiter bewegt" brachte Lisa Lang von ElektroCouture den Konsens auf den Punkt. Alle waren sich einig, dass aus diesem Stillstand einerseits und die Jungfräulichkeit der Modewelt andererseits in Bezug auf die Verschmelzung von alten Denk- und Handlungsmustern mit neuen Technologien neue Wegen der Identitätsstiftung entstehen. Gleichzeitig stellt dies auch die größte Triebfeder für DesignerInnen und junge Fashion-Startups dar, diesen Hohlraum mit neuen Ideen zu befüllen. Durch die rege Teilnahme der ZuschauerInnen entstand ein visionäres Gespräch über die Chancen und Risiken der voranschreitenden Kopplung zwischen Fashion und Technologie. Besonders stach Virtual Reality als zukunftsträchtige Bereicherung für den Retail heraus. Schon lange sei dort das klassische Verkaufsmodell durch Shopping-Erlebniswelten ersetzt worden. Virtual Reality könnte in diesem Bereich online sowie offline den Erlebnisfaktor maximieren, da durch den Einsatz von VR die Erlebnisse und Markenwahrnehmung der KonsumentInnen immersiver und intensiver gestaltet werden könnten. Doch wie in jedem anderen Bereich, in dem die Digitalisierung eingeschlagen hat, muss auch die Modewelt sich hüten, nicht zu einer nächsten Datenkrake zu werden.

Wie wir sehen, es passiert einiges rund um den Themenkomplex um Mode und Digitalisierung. Und deshalb geht es bei uns auch gleich weiter:
Am 29. Juni 2016 findet schon die Fortsetzung der #FASHIONTECH Berlin während der Berliner Fashion Week statt!
Mehr zum Programm erfahrt ihr in unserer Themen-Vorschau hier, zu weiteren Infos und zur Anmeldung geht es unter: www.fashiontech.berlin

Wir freuen uns auf euch!

Bildnachweis: re:publica/Jan Michalko (CC BY 2.0)

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